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Geschichte der Volkshochschule Hattingen

Von der Idee der Volksbildung zum gesetzlichen Weiterbildungsauftrag

Die Idee der Volksbildung wird geboren


In den 1820er Jahren wurde die Idee der Volksbildung geboren. In Berlin hielten Professoren wie Alexander von Humboldt und Johann G. Fichte erstmals öffentliche Vorträge außerhalb der Universität. Die Zahl der Leihbüchereien stieg, und Vertreter des Bürgertums gründeten populärwissenschaftliche Vortragsringe und Volksbildungsvereine. Im Sinne des Neuhumanismus wurde die ganzheitliche Bildung des Menschen angestrebt.

1871 gründete sich mit Beginn des Kaiserreiches die Gesellschaft zur Verbreitung von Volksbildung. Sie entwickelte sich zum Dachverband aller Volksbildungseinrichtungen. Die neuen politischen Rechte (u.a. Wahlrecht der Männer) fanden Eingang in den Themenkatalog der Volksbildungsbewegung.
Das Bildungsprivileg lag bis dahin beim Bürgertum. Man erhoffte sich, durch die Teilhabe der Arbeiterschaft an der Volksbildung, das revolutionäre Potenzial in der Gesellschaft verringern zu können.

1872, am 13. März, erfolgte im Hattinger "Hotel Fiege" die Gründung des Vereins zur Verbreitung von Volksbildung. Laut § 1 der Satzung verfolgte der Verein "den Zweck, seinen Mitgliedern dauernd Bildungsstoff und Bildungsmittel zuzuführen, um sie in höherem Grade zu befähigen, ihre Aufgaben im Staate, in Gemeinde und Gesellschaft zu verstehen und zu erfüllen."

1878 gründete sich mit der Humboldt-Akademie in Berlin die erste Volkshochschule Deutschlands. Sie strebte danach, das Bildungsniveau des gesamten Volkes zu heben. Die Arbeiterschaft aber zog es vor, eigene Arbeiterbildungsvereine zu besuchen.

Die Volksbildungsbewegung wird staatlich anerkannt


1918 verankerte der Artikel 148 der Weimarer Verfassung erstmals die Förderung des Volksbildungswesens, einschließlich der Volkshochschulen, durch Reich, Länder und Gemeinden. So lebte die Volksbildungsbewegung wieder auf, die im Ersten Weltkrieg zum Erliegen gekommen war. Eine der Hauptaufgaben bestand darin, die Bürger mit den neuen demokratischen Zielvorstellungen und Strukturen vertraut zu machen und soziales Verantwortungsbewusstsein zu fördern.

1926 wurde am 17. Juni die Vortragsgemeinschaft Hattingen ins Leben gerufen. Ihr Anliegen war die Pflege der Volksbildung. Die Vortragsgemeinschaft war ein unter städtischer Regie stehender Zusammenschluss aller Hattinger Vereine. In den Wintermonaten veranstaltete sie wissenschaftliche Vorträge, Lieder-, Tanz- und Literaturabende sowie Theatervorführungen. Unter den ersten Veranstaltungen fanden sich ein "Märchenabend für Erwachsene" ebenso wie ein Vortrag über die "Zukunft der Kohle". Ein ähnliches Angebot organisierte seit den 20er Jahren auch der Volksbildungsausschuss der Gemeinde Welper.

Die Volksbildungsbewegung wird durch die Nationalsozialisten "gleichgeschaltet"

 

1933 vollzog sich mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten die Gleichschaltung der Volkshochschulen. Sie gingen in den Volksbildungsstätten des Deutschen Bildungswerkes und der Deutschen Arbeitsfront auf. Vor diesem Hintergrund waren "Rassenhygiene" und "Abstammungslehre" die beherrschenden Themen. In der Stadt Hattingen sowie im Amt Blankenstein fanden ebenfalls Veranstaltungen der Erwachsenenbildung innerhalb des Volksbildungswerkes der Deutschen Arbeitsfront und im Rahmen der Gemeinschaft "Kraft durch Freude" statt.

Die Erwachsenenbildung wird von den Alliierten zum Zwecke der demokratischen Erneuerung (re-education) gefördert

 

1945, nach der deutschen Kapitulation, forderten die Besatzungsmächte die Städte und Gemeinden auf, Ausschüsse zur Durchführung von Erwachsenenbildung einzurichten. "Die Hauptsache ist", hieß es, "daß nicht lange erwogen, sondern gehandelt wird. [...] Ziel des gesamten Erwachsenenunterrichts muß die geistige Erneuerung des Volkes im Sinne friedlicher Entwicklung zum freien Menschentum sein." Die Erwachsenenbildung sollte der deutschen Bevölkerung nach der nationalsozialistischen Diktatur wieder die Prinzipien demokratischer Lebensgestaltung nahe bringen.

1946 wurde die Vortragsgemeinschaft Hattingen Mitglied des Städtischen Kulturvereins Hattingen-Ruhr. Der Städtische Volks- und der Männerchor sowie die Städtische Orchestervereinigung organisierten als weitere Mitglieder des Kulturvereins Veranstaltungen für Musikfreunde. Die Vortragsgemeinschaft sah ihre Aufgabe darin, "durch Vorträge aus allen Gebieten [...] allmählich das Ziel der Volkshochschule zu verwirklichen." In diesem Sinne bot der Kulturverein z.B. die Arbeitsgemeinschaften "Von der Zeit der Vorklassiker bis zur Gegenwart" und "Die Stilformen in Malerei und Plastik" als Veranstaltungen der Volkshochschule Hattingen-Ruhr an. Im Jahr 1947 gab es sechs Veranstaltungen dieser Art.

1948, im Jahr der Währungsreform, fanden mangels Teilnahme keine Arbeitsgemeinschaften der Volkshochschule statt.

Die Volkshochschule Hattingen wird gegründet und durch das Weiterbildungsgesetz gefördert


1949 wurde die Erwachsenenbildung als fester Bestandteil des Bildungssystems im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankert.
Im Mai desselben Jahres erfolgte die eigentliche Gründung der Volkshochschule Hattingen-Ruhr unter der Leitung von Dr. Walter Müller-Roden. Die Trägerschaft übernahm nun die Stadt Hattingen. Am 11. November 1949 feierte die Volkshochschule Hattingen-Ruhr ihre Eröffnungsveranstaltung.

1950 nahm das Volksbildungswerk in Welper nach rund einjähriger Pause im Frühjahr den Betrieb wieder auf. Wie in Hattingen waren im Amt Blankenstein bereits 1946 erste Vorbereitungen für die Einrichtung einer Volkshochschule in Welper sowie in Sprockhövel getroffen worden.

1953 erließ das Land Nordrhein-Westfalen am 10. März das Gesetz über Zuschussgewährung an Volkshochschulen [...]. Erstmals in der Geschichte der Er-wachsenenbildung in Deutschland stellte dieses Gesetz den Anspruch der Volkshochschulen auf finanzielle Zuschüsse auf eine rechtliche Basis.

1964/65 nahm das Volksbildungswerk der Gemeinde Winz im Wintersemester seine Arbeit auf. Es veranstaltete praktische Kurse wie "Mutti turnt mit ihren Kleinen" oder Gesprächsrunden zum Thema "Fernsehen".

1966 wurde das Volksbildungswerk des Amtes Hattingen eingerichtet, zu dem die Gemeinden Altendorf, Winz, Bredenscheid-Stüter, Oberstüter, Oberelfringhausen und Niederelfringhausen zählten. Anlass bot die erfolgreiche Arbeit des Volksbildungswerkes der Gemeinde Winz.

1970 vereinigten sich die Volkshochschule der alten Stadt Hattingen und die Volksbildungswerke der Ämter Hattingen und Blankenstein im Zuge der kommunalen Neugliederung zur Volkshochschule der Stadt Hattingen.

Die Volkshochschulen gewinnen an Bedeutung


1975 verabschiedete das Land NRW das Weiterbildungsgesetz. Nachdem mit dem Zuschussgesetz von 1953 die Arbeit der Volkshochschulen bereits als öffentliches Interesse anerkannt war, erfuhr sie durch das Weiterbildungsgesetz eine verlässliche Grundlage und finanzielle Unterstützung. Die Volkshochschulen waren nun in der Lage, durch hauptamtliches Personal ihre Angebote wesentlich zu erweitern.

1981 waren die Volkshochschulen wegen der Kürzung der Landeszuweisungen gezwungen, die Teilnahmegebühren zu erhöhen und gleichzeitig ihr inzwischen gewachsenes Angebot wieder einzuschränken.

1996 erfolgte im Rahmen einer organisatorischen Änderung die Gründung eines städtischen Kulturbüros. Die vhs Hattingen konzentriert sich seither ganz im Sinne des Weiterbildungsgesetzes auf den Bereich der Weiterbildung bzw. des organisierten Lernens.

1998 gründete sich der Förderverein der Volkshochschule Hattingen/Ruhr e.V. Die Schwerpunkte der Vereinsarbeit liegen in der Verbreitung der Weiterbildungsidee und der Intensivierung der Beziehungen zwischen der Bevölkerung und der vhs.

2000 wurde in der Neufassung des Weiterbildungsgesetzes in NRW erneut der umfassende Weiterbildungsauftrag der Volkshochschule hervorgehoben. Den hohen Stellenwert der Weiterbildung vor Ort beweist die Teilnahmequote an den Kursen der Hattinger vhs. Das Angebot von 14.750 Unterrichtsstunden in 7 Fachbereichen nutzten im Studienjahr 2000/2001 insgesamt 12.150 Hattinger Bürgerinnen und Bürger.

 

Diese Chronik wurde im September 2001 zusammengestellt von Ina E. Minner. Im Auftrag der Volkshochschule Hattingen