Die Attraktion eines Hotels lässt sich leicht auf den Punkt bringen: Einerseits ist es schön, nicht zu Hause zu wohnen, weil der Mensch etwas erleben will und dies am fremden Ort auch eher als in den eigenen vier Wänden vermag. Und, darin liegt der zweite Reiz, man wird bedient und sollte sich auf die Tradition der Gastfreundschaft und Sicherheit (!) verlassen können, denn es wird ja nicht schlecht dafür bezahlt, sich fern der Heimat erholen zu können.
Hiervon ausgehend, wollen wir uns in diesem Seminar ganz besondere Hotelgeschichten ansehen, die – wenn wir es ironisch bzw. augenzwinkernd betrachten – wohl einen weniger behaglichen Verlauf nehmen.
Wir lesen Texte und schauen Filme, in denen obige Hoffnungen nur bedingt erfüllt werden: so zuallererst in dem Klassiker von Vicky Baum Menschen im Hotel und seiner berühmten Verfilmung mit Greta Garbo. Wir werden außerdem zwei Kriminalromane (vielleicht auch ihre Verfilmungen) von Agatha Christie zusammen besprechen. Hier sind die kontrastiven Detektivgestalten besonders interessant! Miss Marple, der Inbegriff des unverheirateten, aber so empathisch wie scharfsinnigen alten Mädchens klärt in Bertrams Hotel Mord und Totschlag auf; Hercule Poirot als arroganter belgischer Naseweis tut desgleichen auf einem schwimmenden Hotel, dem luxuriösen Flussdampfer in Tod auf dem Nil.
Alle Texte haben gemeinsam, dass sie den Ort der Sicherheit und Sorglosigkeit des Hotels ad absurdum führen. In diesen Hotels menschelt es besonders, weil der Alltag fernab liegt und das Hotel als Ort wirkt, der die menschliche Seele in all ihrer Abgründigkeit und Komplexität wie eine Linse vergrößert und fassbar macht.